Fabio Del Pietro ist ein Macher. Einer, der keine Angst vor komplizierten Aufgaben hat. Darum pflanzt er auf den «Terreni alla Maggia» nicht nur die bewährten Merlotund Chardonnay-Reben an. Er beschäftigt sich auch mit Gewächsen wie Bondola oder Kerner.
Zu behaupten, in den Adern von Fabio Del Pietro fliesse Wein …, nun ja, es wäre ein schöner Anfang einer wunderbaren Geschichte. Nur — so ganz stimmen würde sie nicht. Der Einheimische ist zwar unweit der Terreni alla Maggia geboren und aufgewachsen, aber sein Vater war im Stahlbereich tätig.
Und doch: «Mein Grossvater gehörte zu jener Generation, die jeden Tag Wein tranken, ohne je betrunken zu sein», erzählt der Direktor der «Terreni alla Maggia», zu denen rund 10 Hektar Weinreben gehören. «Aber das war eine andere Zeit, ein anderer Wein und ein ganz anderer Alkoholgehalt», fügt er bei. Später dann war Wein im Elternhaus eine Sache des Sonntags, der Feste und Feiertage.
Und woher kommt dann diese Faszination für den Wein? «Mich haben schon immer komplexe Dinge und Aufgaben fasziniert», sagt Del Pietro. «Und etwas viel Komplexeres als Wein gibt es kaum», so der Ingenieur Agronom mit Sommelier-Erfahrungen. «Alleine schon die Tatsache, dass über mehrere hundert verschiedene Inhaltsstoffe den Geschmack und den Geruch eines Weines ausmachen, ist bezeichnend dafür.» Wir sitzen am Rand der Weinberge, die ja keine Berge sind, sondern sich flach dahinziehen, und schauen in den Sonnenuntergang. Das Licht ist weich, die Schneegipfel leuchten rot. Del Pietro öffnet eine Flasche Bondola und sagt: «Wein — da spielen so viele Dinge mit, die ich beeinflussen kann. Und noch mehr, die einfach geschehen.» Zu den Gegebenheiten gehört nun mal die Lage am Seeufer. Gegeben ist der sandige Boden, den die Maggia bis zu ihrer Zähmung 1890 aus den Bergen mitbrachte.
Doch schon bald landen wir im Unwägbaren: «Wie wachsen die Reben in diesem Jahr? Kommt der warme Nordwind? Wie verhält sich das Wetter? Wieviel Regen? Wieviel Feuchtigkeit vom See? Kälteeinbruch? Und am Schluss kommt das Können, das Wissen und die Erfahrung: Wann ernten? Barrique? Wenn ja, wie lange? Wann erreicht der Wein sein Equilibrium, den Zustand, in dem sich alle einwirkenden Kräfte ausgleichen? Weinbau, so dämmert es unsereinem, ist eine ziemliche Herausforderung. Wie sagte Del Pietro doch? Komplex!
Den nächsten Schluck Bondola trinke ich schon mit viel mehr … Ehrfurcht? Überhaupt die Bondola, diese Überlebende des Reblausmassakers, das Ende des 19. Jahrhunderts fast allen autochthonen Rebsorten den Garaus machte und grosses Elend über die Tessiner Bevölkerung brachte. Damals wurde die Tessiner Merlot-Kultur begründet. Merlot ist bis heute die am verbreitetste Rebsorte. Doch einige Gewächse — eben auch die Bondola oder die Bondoletta — haben überlebt. Zwar spielt Merlot die Hauptrolle auf Del Pietros Böden. Doch mit einer Mischung aus Neugier und Hingabe pflegt er die autochthonen Sorten. «Nein, nicht aus Sentimentalität, sondern weil ich sehen will, wie sie sich entwickelt, was man daraus machen kann», sagt er.
Die Bondola ist ein Sensibelchen, hat sie doch eine sehr dünne Schale und ist somit
anfällig auf Graufäule. Produziert werden von der Sorte Bondola nur rund 3500 Flaschen
eines eher leichten Weins. Er changiert ins Violette, schmeckt nach Beeren, macht nicht
müde und passt sehr gut in diese Abendstimmung. Eine weitere Rarität ist der weisse
Kerner, um den sich eine schöne Geschichte windet: «Er hiess früher Weisser Herold»,
erzählt Del Pietro. «Dann wurde er zu Ehren des trinkfreudigen Dichters Justinus Kerner
umgetauft.» Der Kerner, wie sich später beim Aperitif zeigt, verbreitet schon im Glas ein
Aroma von exotischen Früchten, tendiert hauchfein ins Süssliche und begleitet uns zu
Spargeln und Meeresfrüchten.
Nein, nein — wir trinken uns nicht durch das Dutzend verschiedener Terreni-Weine von Weiss über Federweiss, Rosé und Rot, aber irgendwann sind wir im Ristorante Tre Stagioni beim herzhaften Braten, beim Du und beim Querceto angelangt: 100 Prozent Merlot, elegant, fein, Holznuance, Röstaromen, körperreich, anhaltend, ausgewogen und genau nach dem Sinn von Fabio: komplex.
Text: Franz Bamert
Bilder: Claudio Bader / Archiv The Living Circle
The Living Circle – ist eine handverlesene Gruppe von erstklassigen Hotels und Restaurants an den kompromisslos schönsten Standorten, geführt von leidenschaftlichen Gastgebern. Reis, Gemüse, Früchte, natürlich Wein und andere edle Gewächse – alles zaubern unsere eigenen Bauernhöfe gartenfrisch direkt auf Ihren Tisch. Das ist unsere Definition von Luxus. Das ist The Living Circle – luxury fed by nature.